Die Weihnachtsferien hielten für uns die nächste große Reise bereit. Zu acht, mit den Freiwilligen von der Waldorfschule, den beiden Mädels von YONA und Anna von der Basketballschule, ging es für uns nach Botswana und Zimbabwe zu den Viktoriafällen. Zehn Tage, 3000 Kilometer, drei Länder.
26. Dezember, Windhoek – Ghanzi (Botswana)
Nachdem wir am gestrigen Abend das Auto abgeholt haben, treffen wir uns heute früh um sieben an der Schule, um loszufahren. Ein letztes Mal füllen wir unsere Wasserkanister auf, verstauen alles Gepäck im Kofferraum unserer Nissans, stellen uns für ein Gruppenfoto auf und dann kann es losgehen. Wir haben wieder bei Kalahari Car Hire gemietet, aber ziemlich Glück gehabt. Statt der älteren Toyotas bekommen wir für denselben Preis fast neue Nissan Pick-ups einer anderen Autovermietung, denn das eigentlich gemietete Modell war nicht mehr verfügbar. Mit diesmal nur vier Personen pro Auto ist es auf der Rückbank auch deutlich komfortabler und die bessere Klimaanlage lernen wir auf der Reise sehr zu schätzen.
Über den Trans Kalahari Highway, eine gut ausgebaute, von EU-Geldern finanzierte „Autobahn“ quer durch das südliche Afrika, die den atlantischen mit dem indischen Ozean verbindet, fahren wir einige hundert Kilometer nach Osten. In der kargen Savannenlandschaft der Kalahari kommen wir nur durch zwei Ortschaften, dann erreichen wir die Grenze nach Botswana. Vor der Abfahrt war die Grenzüberquerung meine allergrößte Sorge. Würde alles gut gehen? Wie viel würden wir zahlen müssen?
Zum Glück ist wenig los, als wir den Grenzposten erreichen und wir müssen nicht lange warten. Problemlos werden unsere Pässe gestempelt, das Visum ist für Deutsche in Botswana kostenlos. Nur für die Autos müssen wir etwa 300 Pula bezahlen, umgerechnet 30 Euro. Am Gate müssen wir leider unser mitgebrachtes Obst abgeben, aus Angst vor Fruchtfliegen-Plagen.
Während die Straße in Namibia von hohen Wildtierzäunen gesäumt war, die die privaten Farmen abschirmen, gibt sich uns in Botswana nun ein ganz anderes Bild. Alle fünfzig Meter stehen Esel, Pferde, Kuh- oder Ziegenherden am Straßenrand, die ein Abbremsen verlangen. Immer wieder begegnen uns geplatzte Reifen und Kadaver verhungerter oder angefahrener Tiere. Kein schöner Anblick.

Abgesehen von den Tieren begegnen wir fast niemandem auf den 530 Kilometern und gegen 14 Uhr erreichen wir schon unsere erste Unterkunft, Thakadu Bush Camp, wenige Kilometer vor Ghanzi. Das Camp liegt am Ende einer sandigen Piste mitten im Busch unter schattenspendenden Bäumen. Es ist nur klein, Rezeption, Bar und Pool, zwei Sanitäranlagen und ein dutzend geräumige Stellplätze. Die Chalets und Hütten liegen weiter versteckt im Busch. Das Highlight von Thakadu: das Wasserloch, das von allerlei Antilopen und kleineren Raubtieren besucht wird – leider bloß nicht während unseres Aufenthalts.
Nach der stundenlangen Fahrt wollen wir aber eh vor allem eins: essen und dann sofort in den Pool. Gesagt getan. Womit wir nicht gerechnet hatten: der einsetzende Regen, fünf Minuten nachdem wir in Wasser gesprungen sind. Das ist Regenzeit in Afrika, sie sollte uns in den nächsten Tagen noch so manches Mal das Badevergnügen verderben.
27. Dezember, Ghanzi – Maun
Heute haben wir nur 300 Kilometer Fahrt vor uns und so fahren wir um acht Richtung Maun, der Touristenstadt am südlichen Rand des Okavango Deltas. Unterwegs sehen wir ein Schild, das den Lake Ngami in zwei Kilometern ausweist. Per Walkie Talkie kommunizieren wir zwischen den Autos und entscheiden uns nach Überprüfung der Befahrbarkeit des Sandes, dass wir einen Abstecher zu dem See machen. Ein schmaler Weg führt durch höhere Bäume und wir sind froh auf dem unebenen Untergrund den Allradantrieb zu haben. Nach ein paar hundert Metern lichtet sich der Wald und weicht halbhohen Dornbüschen, aus denen abgestorbene Baumskelette hervorragen.
Zum Ufer hin wird der Boden immer feuchter, sodass wir irgendwann anhalten, um nicht doch noch stecken zu bleiben. Direkt am Wasser sind Pferche aus geflochtenen und verwundenen Ästen und Pfählen aufgebaut, überall läuft Vieh frei herum, nach ein paar Minuten galoppieren ein paar barfüßige Jungs auf Eseln an uns vorbei. Wir sind auf einmal sehr weit weg von der modernen Großstadt Windhoek.
Später lese ich im Reiseführer, dass der Ngamisee von einem Fluss direkt aus dem Okavango Delta gespeist wird und je nach Regenfällen seine Größe verfünffacht.
Der See ist nur die erste von drei zufälligen Entdeckungen. Wieder zurück auf der Straße kommen wir an einer Polizeikontrolle vorbei. Wir fahren langsamer. Der Polizist mit dem Blitzer hat einen Campingwagen, dem unseren nicht unähnlich, angehalten und am Straßenrand steht niemand anderes als unsere Kollegin Andrea, die ebenfalls gerade mit ihren Geschwistern in Botswana unterwegs ist. Sascha will uns zunächst nicht glauben, dass wir sie gesehen haben, dreht dann aber doch noch um und als sie eben wieder ins Auto steigen will, um weiterzufahren, erreichen wir sie. Sie berichtet uns von ihrer Reise, von der komplizierten Grenze nach Zimbabwe und den stundenlangen Fahrten durch den Caprivi und uns beschleicht das Gefühl, die Fahrzeiten bei der Reiseplanung komplett falsch eingeschätzt zu haben. Aber dazu später mehr.
Als nächstes erreichen wir Maun (gesprochen Ma-un). Die Stadt ist klein, aber belebt, eine Lodge reiht sich an die nächste, bloß das Schild zu unserem Maun Rest Camp können wir nirgends entdecken. Nach längerem Suchen finden wir endlich die Unterkunft und sind begeistert. Unter hohen Bäumen liegt das Camp wie eine grüne Oase direkt am Thamakalane Fluss. Überall zwitschert und zirpt es, der Geruch ähnelt dem des Tropenhauses im Zoo. Es ist feucht, schwül und ein bisschen muffig.
Da es noch früh am Tag ist, beschließen wir einen Abstecher in das vom Reisführer angepriesene Maun Game Reserve zu unternehmen. Blöd nur, dass unserer Reiseführer schon ein paar Jahre alt und das Reservat inzwischen geschlossen ist. Statt Giraffen, Zebras, Antilopen erwartet uns nur ein schief in den Angeln hängendes Eisentor und ein Schild mit den Tieren, die wir vor ein paar Jahren noch hätten sehen können.
Ganz umsonst war der Weg aber trotzdem nicht, denn die dritte Entdeckung des Tages machen wir mitten in Maun an einem Stand für Kunsthandwerk: zwei andere Freiwillige aus Windhoek sind mit ihren Freundinnen durch das südliche Afrika unterwegs und machen wie wir heute einen Stop in Maun. Was für ein Zufall.
Zurück im Camp wollen wir natürlich gern wieder in den Pool, doch das bevorstehende Gewitter kündigt sich schon mit dunklen Wolken und gelegentlichen Blitzen an, sodass das Baden wieder einmal verschoben werden muss.
Nach dem Regen aber mache ich mich mit Anna nochmal auf den Weg an den Fluss und zur „Alten Brücke“, einer aus Holzpfählen errichteten Konstruktion über den Thamalakane, über die bis in die 2000er noch Autos gefahren sind. Abgesehen von ein paar Wasservögeln entdecken wir allerdings nichts, die Krokodile und Hippos bleiben noch aus.
Nach dem Abendessen sprühen wir uns erstmal alle mit Moskitospray ein, denn Maun liegt schon im Malaria-Gebiet und wir wollen nicht riskieren, gestochen zu werden. Sascha und ich haben uns gegen die Einnahme der Prophylaxe entschieden und müssen umso vorsichtiger sein. So gewappnet setzen wir uns mit zwei Stühlen hin, und beobachten den Flusslauf, immer noch in der Hoffnung ein Hippo oder Krokodil zu sehen. Tatsächlich wird unser Warten belohnt. Es ist schon ziemlich dämmrig als wir eine auffällige Strömung im Fluss wahrnehmen. Dann taucht etwas aus dem Wasser auf, ein Kopf. Mit dem Fernglas kann ich in der dunklen Umgebung nicht wirklich erkennen was es ist, aber als wir noch etwas näher herangehen und eine Zeit lang parallel zu dem erstaundlich schnell schwimmenden Tier laufen, ist es eindeutig: unser erstes Hippo schwimmt mitten durch die Stadt.
Dieser Tagesabschluss lässt uns neugierig auf den nächsten Tag sein, an dem uns eine Tour in den traditionellen Einbäumen der Delta Bewohner bevorsteht.
28. Dezember, Mokoro-Tour im Okavango Delta
Der heutige Tag hält das erste Highlight unserer Reise für uns bereit, eine Tour durch das Okavango Delta im Mokoro. Dementsprechend guter Laune versammeln wir uns um 8 Uhr an der Rezeption und warten auf das Safari-Auto, das uns wenig später abholt. Etwas erhöht auf bequemenen Sitzreihen können wir von der Ladefläche des Pickups unsere Umgebung gut beobachten. Etwa eine halbe Stunde fahren wir aus Maun raus, dann biegen wir von der Hauptstraße auf eine Sandpiste ab. Wir denken, cool, jetzt sind wir fast da, aber die Fahrt dauert noch eine weitere halbe Stunde. Der schmale Weg (Straße kann man das wirklich nicht nennen) führt durch Baumsavanne, alles ist grün, Vieh grast auf offenen Flächen, im Busch können wir Elefantendung ausmachen. Wir sind so richtig in der Wildnis. Ab und zu kommen wir an kleinen Siedlungen vorbei, in denen ein paar traditionelle Hütten unter großen Bäumen stehen, dazwischen laufen Hunde und Kinder umher.

Das Okavango Delta ist das größte Feuchtgebiet im südlichen Afrika und ein wichtiger Lebensspender. Hier spaltet sich der in Angola entspringende Okavango in mehrere Flussarme auf, die bei Hochwasser große Gebiete überfluten und Sumpflandschaften entstehen lassen, die extrem vielen Arten als Lebensraum dienen. Hier gibt es das ganze Jahr über Wasser, das in den ansonsten trockenen Savannenboden versickert. Nicht alle Teile des Deltas sind geschützt, es gibt nur einen offziellen Nationalpark, der Rest wird von privaten Funds oder NGOs verwaltet. Das gesamte Gebiet, das größte Binnendelta der Erde, ist ein UNESCO-Welterbe und nicht so einfach zu bereisen. Mit dem Auto kommt man nicht weit, ansonsten bleiben die Luxuslodges im Delta, die nur per Flugzeug erreichbar und etwas außerhalb unserer Preisklasse sind. Die dritte Möglichkeit sind Mokoro-Touren. Mokoros sind die traditionellen Einbäume der Delta-Bewohner, die heutzutage aus Glasfaser hergestellt werden, um die Bäume zu schützen. Die sogenannten poler bewegen das schmale Boot mithilfe von Stangen fort, die sie in den Grund stoßen, da das Wasser sehr flach ist. Wir entschieden uns für eine Mokoro-Tour, die wir schon im Voraus gebucht haben, was sich aber als unnötig erwiesen hat, denn auch in Maun selbst kann man noch spontan günstige Touren buchen.

Unsere Guides für den Tag sind Supa und Castro, zusammen mit drei weiteren polern, die jeweils zwei von uns in ihren Booten transportieren. Ausgerüstet mit zwei Litern Eiswasser pro Person und einem kleinen Snack für mittags steigen wir in die Mokoros, was sich als etwas wacklige Angelegenheit herausstellt. Geräuschlos gleiten wir über das Wasser und sind nach kurzer Zeit schon auf einem größeren See, der von Inseln und Sümpfen umgeben ist. Die Guides lenken die Boote in das Schilf, damit wir den kleinen weißen Frosch bestaunen können, der sich zwischen den Halmen versteckt. Außerdem machen sie uns auf die verschiedenen Vögel aufmerksam, die das Delta bevölkern: Kormorane, Schlangenhalsvögel, Reiher, Gabelracken und Kibitze, um nur ein paar zu nennen.


Nach ein paar weiteren Minuten dann: „Hippos!“. Wir schauen uns um, können aber nichts entdecken. Mit dem bloßen Auge ist nichts außergewöhnliches auf der großen Wasserfläche zu erkennen. Supa deutet in Richtung des gegenüberliegenden Ufers, wo ein paar abgestorbene Bäume im Wasser stehen und Steine herausschauen. Oder sieht es nur nach Steinen aus? Im Fernglas zeigt sich, dass einige der vermeintlichen Steine Hippoköpfe, Hippoohren oder Hipporücken sind. In den Mokoros können wir bis auf etwa einhundert Meter an die großen Wassertiere heran, ohne dass es gefährlich wird. Aus dieser Nähe können wir nun auch besser erkennen, was die geübten Augen unserer Guides schon aus der Ferne identifizieren konnten. In dem tieferen Pool liegt eine große Gruppe Hippos im Wasser, um sich vor der Mittagshitze zu schützen. Wir können sie sogar schnauben und rufen hören.
Hippos, obwohl absolute Vegetarier, gelten als sehr gefährlich. Wenn sie sich bedroht fühlen, können sie sehr aggressiv werden und ganze Boote zum Kentern bringen. Sie sind dabei sowohl im Wasser als auch an Land erstaunlich schnell. Jedes Jahr sterben Menschen bei Hippo-Angriffen. Wir sind deshalb ganz froh um den großen Abstand, den unsere Guides zu den Tieren wahren.

Wenn wir nicht gerade Hippos sehen, verläuft die Fahrt ruhig durch die wunderschöne Wasserlandschaft des Deltas. Das einzige was stört ist die Hitze. Unbarmherzig brennt die Sonne auf uns herab, was sich am Ende des Tages in dem ein oder anderen Sonnenbrand manifestiert haben wird. Nach etwa eineinhalb Stunden Fahrt erreichen wir eine Insel und verlassen die Mokoros. Teil Zwei unserer Tagestour beginnt: ein mehrstündiger Spaziergang, bei dem uns Supa und Castro Wildspuren zeigen, den Dung der verschiedenen Tiere identifizieren lassen und uns über die heimischen Pflanzen aufklären. Wir sehen die Fußabdrücke von Elefanten und Giraffen, nehmen Hippodung auseinander, erfahren, dass Wilder Salbei Mücken vertreibt und sehen Warzenschweine, ein Zebra, ein Gnu und Antilopen. Im Etosha Nationalpark konnten wir diese Tiere schon aus größerer Nähe sehen, trotzdem ist es auch diesmal wieder aufregend, denn zu Fuß so nah an sie heranzukommen, ist etwas ganz anderes. Kein schützendes Auto um uns zu haben, macht uns zu einem Teil der Natur und zu wissen, dass jeder Zeit ein Elefant oder Löwe auftauchen könnte, ist unter diesen Umständen ein spannendes Erlebnis.

Obwohl die beiden Guides viele interessante Dinge zu erzählen haben, sind wir froh, gegen zwei Uhr wieder am Rastplatz unter schattigen Bäumen angelangt zu sein. Die Hitze macht uns alle fertig, wir schwitzen und haben Hunger. Schade, dass mittlerweile Ameisen sich an unserem Mittagessen zu schaffen gemacht haben. Die Sandwiches, die wir vom Veranstalter eingepackt bekommen haben, kann man nicht mehr essen.
Nachdem wir uns etwas ausgeruht haben, treten wir den Rückweg an. Nocheinmal fahren wir an der Nilpferdfamilie vorbei, bevor wir dann gegen vier Uhr das Auto erreichen, das uns wieder zurück nach Maun bringt. Wir sind alle erschöpft von der Sonne, aber ganz erfüllt von den vielen Eindrücken.
Am nächsten Tag geht es für uns weiter nach Kasane, zum Chobe Nationalpark. Darüber berichten wir dann in Teil 2.
Sehr schöner Bericht!
Überlege gerade anstatt Abi FHR und ein FSJ zu machen. War schon oft in Namibia und das würde mich schon sehr Reizen. Darf man fragen, was euer monatliches ‚Taschengeld‘ so ist?
Lg
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Danke für den Kommentar! Ein FSJ hier ist auf jeden Fall eine Überlegung wert, wir bereuen es nicht!
Von unserer Entsendeorganisation Freunde der Erziehungskunst bekommen wir ein Taschengeld von 100€ im Monat. Unterkunft und Verpflegung sind gedeckt.
Lg
Sascha
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