Der zweite Monat ist um und es wird Zeit für einen weiteren Monatsrückblick. Seit mehr als zehn Wochen bin ich nun schon in Namibia und habe immer noch nicht wirklich realisiert, was das bedeutet. Dabei wird alles immer normaler. Die Arbeit, der Tagesablauf, die Orientierung in der Stadt – mittlerweile läuft das ganz selbstverständlich. Und, ich hätte es selbst gar nicht für möglich gehalten, der Oktober war sogar noch aufregender als der September. Wir haben viel neues erlebt, neue Orte kennengelernt, verschiedene Dinge unternommen und haben unsere erste gemeinsame Reise gemacht. Die Ferien in der letzten Oktoberwoche haben wir genutzt und sind alle zusammen (Sascha und ich, unsere Mitfreiwilligen Johanna und Leonie sowie Franziska, die schon länger hier an der Schule ist) nach Swakopmund und in den Etosha Nationalpark gefahren. Das war das ganz klare Highlight dieses Monats. Ich weiß gar nicht, was am besten war: die Seelöwen-Kolonie von Cape Cross, mit dem Quad in Swakop durch die Dünen zu rasen oder in Etosha abends am Wasserloch zu sitzen und Nashörner und Hyänen zu beobachten.
Nachdem ich Anfang Oktober etwas krank war (Erkältung, trotz des heißen Klimas), geht es mir jetzt wieder richtig gut und ich stecke meine wiedergewonnene Energie in die Nachmittage mit den Kindern. Seit drei Wochen assistiere ich außerdem vormittags in der ersten Klasse. Die hat gerade jeden Tag eine Doppelstunde Handarbeit und obwohl schon fast alle Kinder gut und selbstständig stricken können, bin ich die ganze Zeit damit beschäftigt, heruntergefallene Maschen wieder aufzunehmen, neuen Faden festzuknoten und vor allem für Ruhe und Ordnung zu sorgen. So sind meine Tage momentan sehr gut ausgefüllt. Ich arbeite zwar „nur“ zwischen sechs und sieben Stunden pro Tag, aber hinzukommen die Pausenaufsichten, das wöchentliche Teammeeting der Afternoon Care und gelegentliche Einkäufe oder Vorbereitungen für den Nachmittag. Abends falle ich deshalb oft müde ins Bett und bin froh, schon um halb zehn schlafen zu können.
Mittlerweile ist es in Windhoek deutlich heißer als zu Beginn unseres Aufenthalts. In den Mittagsstunden sind 35°C keine Seltenheit mehr und auch abends kühlt es nicht mehr so stark ab, sodass ich wirklich dankbar für den starken Wind und die Wolken ab und zu bin. Swakopmund mit seinen 18 bis 24°C war da eine angenehme Abwechslung! Es hat jetzt hin und wieder auch geregnet, immer mehr Bäume werden grün und blühen, die ganze Natur verändert sich. Ich bin schon gespannt, wie es dann in der richtigen Regenzeit sein wird…
Die Hitze konnte uns aber nicht davon abhalten, an den Wochenenden etwas zu unternehmen. In diesem Monat waren wir vor allem viel draußen unterwegs: Anfang Oktober war ich mit Johanna Bogenschießen beim Archer´s Land, zwei Wochen später sind wir mit den Freiwilligen aus dem YONA-Projekt zum Avis Damm gefahren und haben dort einen Spaziergang durch den ausgetrockneten Stausee gemacht.

Das Gebiet ist nur fünf Minuten von der Schule entfernt und wir hätten wahrscheinlich sogar zu Fuß hingehen können, aber dafür war es uns dann doch zu heiß. Zum Glück ging durchgehend ein leichter Wind, sodass wir nicht komplett verschwitzt waren am Ende. Als wir zum Schluss nochmal über die Staumauer gelaufen sind, hätten wir uns aber durchaus weniger Wind gewünscht: Christinas Mütze wurde ihr vom Kopf geweht und nur dank Saschas heldenhafter Rettungsaktion bekam sie sie zurück.
Da wir den Mietwagen von unserem Roadtrip noch bis Sonntag bezahlt hatten, haben wir unsere fünftägige Reise noch mit einem Ausflug in das Daan Viljoen Nature Reserve abgeschlossen. In aller Frühe sind wir von der Schule die paar Kilometer Richtung Westen gefahren und zu einer 9km-Wanderung aufgebrochen, um die Mittagshitze zu vermeiden. In dem Wildpark leben keine gefährlichen Tiere, sodass man auf unterschiedlich langen Routen die Natur zu Fuß erkunden darf. Zu unseren Erlebnissen im Daan Viljoen erscheint aber demnächst nochmal ein ausführlicherer Beitrag.
Doch nicht nur Natur stand diesen Monat auf dem Programm: ich habe auch verschiedene kulturelle Veranstaltungen besucht. Zunächst waren Sascha und ich bei einer Stand Up Comedy Show im Warehouse. Vier Comedians aus Simbabwe und Namibia haben den Abend, begleitet von Live-Musik, gestaltet und für zwei Stunden super Unterhaltung gesorgt. Sascha und ich haben uns totgelacht, auch wenn wir nicht vielmehr als die Hälfte aller Jokes mitbekommen haben können, denn einerseits ist der afrikanische Akzent für uns immer noch manchmal schwer zu verstehen, und andererseits wurde zwischendurch einfach auf Afrikaans oder Oshiwambo weitergesprochen. Es war trotzdem ein toller Abend! Und auch die Erfahrung, als weiße Menschen mal in der absoluten Minderheit in einem Raum zu sein, war spannend, zumal die Hautfarbe auch immer wieder von den Comedians thematisiert und wir zum Teil direkt angesprochen wurden. Ich hätte gedacht, dass mir die Situation vielleicht unangenehmer sein würde, doch irgendwie war die Atmosphäre so locker, dass ich die meiste Zeit gar nicht daran gedacht habe, dass ich weiß bin und 95% der anderen Menschen hier schwarz. Obwohl 88% aller Namibianer schwarz sind, habe ich in meinem Alltag an der Schule so viel Kontakt zu Weißen, dass ich manchmal vergesse, dass wir eine Minderheit darstellen. Dabei ist auch die Mehrheit der Schüler schwarz oder farbig. Vielleicht fallen mir aber die unterschiedlichen Hautfarben auch einfach nicht mehr so sehr auf – was ja positiv wäre. Langer Rede kurzer Sinn: Sascha und ich haben beschlossen, dass der Abend seine 150N$ wert war und wir bestimmt nicht das letzte Mal bei der monatlichen „Free Your Mind“ Show dabei gewesen sind.
Das zweite kulturelle Event, das ich im vergangen Monat besucht habe, fand im National Theatre of Namibia statt und wir wurden dazu von einer Mutter aus dem Afternoon Care eingeladen, die die musikalische Leitung einer Show zu dem namibischen Künstler John Muafangejo gemacht hat. Der 1943 geborene und bereits verstorbene Muafangejo ist vor allem bekannt für seine Holz- und Linolschnitte, in denen er Ereignisse und Personen, häufig in Verbindung mit Textelementen darstellte. Thema sind unter anderem der Unabhängigkeitskampf Namibias, seine eigene Biographie und die Geschichte seines Volks. Er gilt als bedeutendster Künstler des Landes.
Da Sascha und Johanna nicht mitkommen konnten, gingen Leonie und ich mit einem anderen Freiwilligen aus Windhoek hin und bereuten es kein bisschen. Auf großen Leinwänden auf der Bühne wurden Werke des Künstlers gezeigt, dazu sang ein Chor Stücke auf Oshiwambo, es gab Tanz und immer wieder auch Text, der durch das Leben von John Muafangejo führte. Es war schön, auf diese Art mal einen Einblick in namibische Kunst zu bekommen und nach der Aufführung von „I am John“ steht für uns fest, dass wir unbedingt mal in die National Art Gallery müssen, um uns seine Werke und die anderer zeitgenössischer Künstler anzusehen.
Der Rückblick wird immer länger und länger, dabei habe ich noch so viel zu erzählen – wie gesagt, der Oktober war aufregend. Deshalb in aller Kürze noch ein paar Worte zu allem, was sonst noch so war.
- In den letzten Wochen war ich bei zwei ganz unterschiedlichen Gottesdiensten, weil ich mal sehen wollte, wie Kirche in Namibia so ist. An einem Sonntag habe ich mit Sascha die All Nations Church besucht, bei der Freunde von uns wohnen. Die Kirche gehört zur Pfingstbewegung und die Art, Gottesdienst zu feiern, war für uns beide ganz ungewohnt, aber auch schön. Es wurde viel gesungen, statt eines Altarraums gab es eine Bühne, auf der eine Band gespielt hat, die Stimmung in der Kirche war eher ausgelassen als andächtig und die Predigt am Ende sehr lebendig und interessant.
- In der folgenden Woche besuchten wir dann die katholische Kirche in Central Windhoek, aber nicht die deutsche Messe um 9:30 Uhr, sondern die englische eine Stunde später. Vieles, von der Einrichtung der Kirche zu den Gesängen und Gebeten, erinnerte mich an das, was ich aus Deutschland kenne, nur in einem Punkt unterschied sich der Gottesdienst stark von denen in meiner Heimatgemeinde: seine Länge. Fast zwei Stunden saßen wir in der Kirche, die freigehaltene Predigt dauerte 25 Minuten, die Ansagen am Ende der Messe fast 10 Minuten. Das war uns eindeutig zu viel. Nächstes Mal gehen wir vielleicht doch in die deutsche Messe, denn die muss nach spätestens einer Stunde zu Ende sein.
- Am 11. Oktober war der Internationale Mädchentag und zu diesem Anlass haben wir alle Mädchen im Afternoon Care und Hostel zu einem „Girls´Day“ eingeladen. Neben Aktivitäten wie Gesichtsmasken und Fotoshooting, haben sie mit älteren Mädchen über Menstruation und anderen Mädchenkram geredet und sich auf kreative Weise mit dem Bild des Mädchens in der Gesellschaft beschäftigt. Dabei hatten alle viel Spaß!
- Und dann ist Ende des Monats auch Anna wiedergekommen, sodass wir wieder zu fünft sind!

So, das war´s jetzt aber auch erstmal von mir für diesen Monat. Viele Grüße aus dem immer heißer werdenden Namibia!