Mein FSJ-Platz: Fabian und die fünfte Klasse der Waldorfschule Windhoek in Namibia

Ich bin:

Sascha, 19 Jahre, aus Osnabrück und absolviere ein Freiwilliges Jahr im Ausland als Klassenhelfer in der fünften Klasse der Waldorf School Windhoek.

So wohne ich während meines FSJs:

Zusammen mit den anderen Volunteers haben wir ein kleines Haus auf dem Schulgelände, in dem wir in Zweierzimmern schlafen. Das ist praktisch, denn der Weg zur Arbeit ist logischerweise kurz und ich kann auch in kürzeren Pausen eben nach Hause, was essen, mich ausruhen. Schade ist nur, dass die Schule etwas außerhalb von Windhoek liegt und wir zum Einkaufen deshalb immer ein Auto brauchen.

Meine Arbeitszeiten und Kollegen:

Meine Arbeit beginnt morgens früh um sieben Uhr mit dem Morgenkreis für die Lehrer. Das heißt für mich schon um halb sieben Aufstehen und Fertigmachen, denn ich habe einen immerhin dreißigsekündigen Arbeitsweg! Daran schließt sich der Morgenkreis für die Unterstufe an – immer draußen, da uns das Wetter hier etwa 360 Tage im Jahr nicht einschränkt. Die reguläre Schulzeit der Unterstufe ist auch meine Hauptarbeitszeit: vom Morgenkreis um 7.10 Uhr bis um 13 Uhr. Dazwischen zwei längere Pausen. Anschließend esse ich noch in der Afternoon Care Mittag.

In erster Linie arbeite ich mit der Klassenlehrerin der fünften Klasse zusammen. Aber natürlich habe ich auch viel mit den zuständigen Menschen in Afternoon Care und Hostel, sowie mit manchen Lehrern zu tun. Das sind alles sehr nette Menschen und ich genieße die Zusammenarbeit mit ihnen. 

Mein Arbeitsfeld:

Als Klassenhelfer in der „Grade Five“ bin ich natürlich für alle mit zuständig und ansprechbar, aber mein Arbeitsschwerpunkt liegt bei Fabian. Fabian ist ein zwölfjähriger Junge, der schon seit der Geburt hörgeschädigt ist. Erst mit etwa vier Jahren hat F. ein Hörgerät (Cochlea-Implantat) bekommen und dementsprechend leider nie richtig sprechen gelernt, denn die ersten Kindheitsjahre sind für die Sprachentwicklung entscheidend. Seine sprachlichen Fähigkeiten sind begrenzt auf ein Minimum an Vokabular, und einige Namen. Lernt man ihn näher kennen, lernt man auch, ihn besser zu verstehen. Aber die Kommunikation über Sprache ist sehr eingeschränkt. Einzelne bekannte Worte kann er verstehen, Sätze die nicht direkt im Kontext zu erschließen sind, aber nicht. 

Trotzdem ist grundlegende Verständigung fast immer irgendwie möglich. Seine Schreibfähigkeiten ermöglichen ihm zwar nicht viel mehr als das Sprechen, können aber eine hilfreiche Ergänzung sein. Ein paar Worte Zeichensprache (wie z.B. die Wochentage oder Familienmitglieder) kann Fabian und ich versuche da auch ein bisschen was zu lernen. Er hat die namibische Zeichensprache nie gelernt und hat also auch hier nur sehr begrenzte Möglichkeiten sich auszudrücken. Das meiste passiert deshalb irgendwie mit Händen und Füßen – wenn ich bisher eins gelernt habe, dann das: Kommunikation braucht Kreativität!

Zur Funktion des Cochlea-Implantats habe ich hier ein bisschen was von Cochlear und Wikipedia zusammenkopiert:

Das Cochlea-Implantat (englisch cochlear implant, CI) ist eine Hörprothese für Gehörlose, deren Hörnerv als Teilorgan der auditiven Wahrnehmung noch funktionsfähig ist.

 

 

Ein Cochlea-Implantat ist ein elektronisches medizintechnisches Gerät, das die Funktion des beschädigten Innenohrs wahrnimmt. Im Unterschied zu Hörgeräten, die die Lautstärke von Geräuschen erhöhen, übernehmen Cochlea-Implantate die Funktion der beschädigten Teile des Innenohrs (der Cochlea), um Audiosignale an das Gehirn zu übertragen.

  1. Ein Soundprozessor, der hinter dem Ohr oder am Körper getragen wird, erfasst Audiosignale und wandelt sie in digitalen Code um. Ein im Soundprozessor befindliches Batterie- oder Akkumodul versorgt das gesamte System mit Strom. Der Soundprozessor überträgt die digital codierten Signale durch die seitlich am Kopf befindliche Sendespule an das Implantat unter der Haut. 
  2. Das Implantat wandelt die digital codierten Audiosignale in elektrische Impulse um und leitet sie an den Elektrodenträger in der Cochlea (die Teil des Innenohres ist) weiter. 
  3. Die Implantatelektroden stimulieren den Hörnerven in der Cochlea, von wo aus die Signalimpulse an das Gehirn weitergeleitet werden. Dort entsteht dann eine Hörwahrnehmung. 

Die Implantate ermöglichen es ihm einiges zu hören, trotzdem ist sein Hörspektrum lange nicht so groß wie ein normales. Dennoch ist es ein großer Fortschritt – ohne ist so ziemlich taub.

Im Hauptunterricht sitze ich neben Fabian und sehe zu, dass er etwas von dem, was die Lehrerin sagt, mitkriegt, oder aber zumindest nicht die anderen stört. Denn auch wenn er vielleicht sprachlich nicht so fit ist, findet er genug Mittel und Wege, seine Klassenkameraden zu  ärgern – und andersherum!

Nach dem Hauptunterricht habe ich jeden Tag mit ihm eine Einzelstunde, in der ich mit ihm Sprachtherapie machen soll. Ich setze „Sprachtherapie“ an dieser Stelle lieber mal in Anführungszeichen, denn natürlich bin ich komplett unqualifiziert für so etwas. Einmal in der Woche ist eine englischsprachige Sprachtherapeutin dabei, die mir Tipps gibt, was ich mit ihm machen kann und worauf ich achten soll. In diesen etwas über 30 Minuten geht es darum, dass Fabian viel spricht und ich ihn immer wieder korrigiere. Dabei ist es für ihn eine Mischung aus Lippenlesen und hinhören. Meist lesen wir aus einfachen Leselernbüchern, wiederholen Vokabeln wie Farben, Körperteile, Zahlen etc.. 

Nach dieser Einzelstunde, ist der sogenannte Blockunterricht. Sprachen und praktische Fächer werden hier in Blöcken von etwa vier Wochen an fünf Tagen die Woche unterrichtet. In manchen dieser Blockepochen ist Fabian nicht dabei, wie z.B. Afrikaans. In dieser Zeit habe ich ihn dann wieder allein und muss mir selbst Aktivitäten und Aufgaben überlegen. Bisher habe ich die Tage immer anders gestaltet – je nach Motivation, Lust und Laune von uns beiden. Meist rechne ich mit ihm etwas (da ist er vergleichsweise fit), lasse ihn malen oder schreiben, gehe mit ihm in die Holzwerkstatt, spiele drinnen ein Spiel wie Memory oder draußen mit ihm Ball. Abwechslung ist das A und O, denn lange Konzentration ist für ihn anstrengend und viel theoretische Arbeit schnell frustrierend. 

Nach dem Blockunterricht sind nochmal zwei Schulstunden, in denen wir beide im Normalfall wieder bei der Klasse und im Unterricht dabei sind. 

Meine Aufgaben in Stichpunkten:

  • Begleitung im Unterricht, dabei vor allem Hilfe für einzelne Schüler bei Fragen
  • enge Einzelarbeit mit Fabian – Sprachtherapie
  • Pausenaufsicht
  • nachmittags Hausaufgabenhilfe in der Afternoon Care und im Hostel

Das macht mir am meisten Spaß:

Am meisten Spaß habe ich, wenn Fabian einen guten Tag hat und wir gemeinsam gut arbeiten können. Dabei haben wir immer wieder viel zu lachen, denn er ist ein unheimlich toller Kerl! 

Zusätzliche Aufgaben:

Neben kleineren extra Aufgaben wie der Pausenaufsicht einmal in der Woche helfe ich nachmittags an zwei Tagen in der Afternoon Care für ein Stündchen bei den Hausaufgaben und an zwei anderen Tagen im Hostel (unsere Mitfreiwillige Leonie wird ihre Arbeit dort auch bald vorstellen). Außerdem sind wir Volunteers dazu aufgefordert, bei Schulveranstaltungen zu helfen oder kleinere Projekte in den Ferien zu erledigen.

Fazit:

Die ersten drei Arbeitswochen sind vergangen und ich fühle mich in der Arbeit ziemlich gut angekommen. Fabian fordert mich heraus und trotzdem weiß ich jeden Morgen wofür ich aufstehe und freue mich auf die Arbeit. Ich bin sehr gespannt darauf, ihn und die vielen anderen Menschen mit denen ich zusammenarbeite noch näher kennenzulernen! 

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Für die Kamera arbeiten wir ausnahmsweise mal produktiv 😉

 

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